Kennt ihr das?
Es ist spĂ€t. Ich liege im Bett. Die Hunde schnarchen schon selig, mein Mann atmet gleichmĂ€ssig â und ich? Ich liege wach und denke. Denke und denke. Und dann denke ich noch ein bisschen mehr.
Nicht etwa an SchĂ€fchen oder den Einkaufszettel fĂŒr morgen. Nein. Ich denke an alles. Gleichzeitig. –
Die SteuererklÀrung von 2022.
Ob ich wohl irgendwann einen Kirschbaum pflanze.
Was ich der Nachbarin hÀtte wirklich sagen sollen.
Und plötzlich fÀllt mir ein, dass ich unbedingt ein neues Projekt starten sollte. Ein Buch schreiben vielleicht. Oder ein VogelhÀuschen bauen. Oder Englisch lernen. Jetzt! Sofort!
So beginnt meine allnĂ€chtliche Runde im Gedankenkarussell. Und glaubt mir: Mit ADHS ist das kein Kinderkarussell. Das ist ein voll ausgestatteter Freizeitpark. Mit Achterbahn, Wildwasserbahn und einem drehenden Teetassen-FahrgeschĂ€ft â alles auf einmal.
đ Motivation nach 22 Uhr
Irgendwann â so gegen 22:47 Uhr â trifft mich dann die volle Inspiration. Ich habe DIE Idee.
Ich bin motiviert, energiegeladen, bereit die Welt zu verÀndern!
Aber… es ist spĂ€t. Also sage ich mir: âMorgen. Morgen fang ich an.â
Spoiler: Am nÀchsten Morgen ist die Motivation verschwunden.
Verflogen.
Weg.
Ich stehe da, mit zerknittertem Gesicht, halb vollem Kaffeebecher und dem GefĂŒhl, dass ich irgendetwas richtig Grossartiges machen wollte… aber was war das noch gleich?
đą Warum ist das bei ADHS so?
Wissenschaftlich gesehen ist das Gedankenkarussell kein Zufall. Menschen mit ADHS haben eine oft ĂŒberaktive Gedankenwelt, insbesondere wenn Ă€ussere Reize wegfallen â so wie abends im Bett. Das nennt sich auch âkognitive HyperaktivitĂ€tâ oder âoverthinking deluxeâ.
Unser Gehirn fĂ€hrt nicht runter, sondern sucht sich neue BeschĂ€ftigung. Und die findet es â reichlich.
AuĂerdem ist unser Dopaminhaushalt beteiligt: Abends, wenn der Tag geschafft ist und keine Aufgaben mehr drĂŒcken, kann das Gehirn endlich âfreiâ denken â aber auch ĂŒberdrehen. Und dann wirkt jede Idee wie der neue Sinn des Lebens. FĂŒr genau 7 Stunden.
đ Und was hilft?
Naja, ganz stoppen lÀsst sich das Karussell nicht. Aber ich habe ein paar Tricks, die manchmal helfen:
- đïž Notizblock neben dem Bett â Ich schreibe meine âMitternachtsideenâ auf. Dann kann ich sie loslassen.
- đ Rituale vorm Schlafen â z.âŻB. lesen, Hörbuch hören oder meditieren (wenn die Bulldoggen nicht schnarchen).
- đ§ Gedanken abholen, nicht bekĂ€mpfen â Manchmal hilft es, bewusst zu sagen: âJa hallo, Gedanke XY, schön dass du da bist. Aber wir schlafen jetzt.â
- â° Kein Perfektionismus am Morgen â Wenn die Idee am nĂ€chsten Tag noch gut klingt, go for it. Wenn nicht â auch okay. Wir dĂŒrfen nicht jede Teetassenfahrt ernst nehmen.
đ Fazit:
Mit ADHS ist das Leben oft wie ein Jahrmarkt: laut, bunt, schnell â und manchmal eben mitten in der Nacht.
Aber weisst du was? Ich bin mittlerweile ganz gut darin geworden, mitzufahren. Und wenn ich mal rausfliege, stehe ich wieder auf, hole mir eine Zuckerwatte (symbolisch) â und drehe weiter meine Runden.
Denn irgendwo zwischen schlaflosen Ideen und morgendlicher Vergesslichkeit lebt auch etwas sehr Schönes: KreativitÀt. Neugier. Und ein Herz, das nie stillsteht.


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