Wenn ich für jedes Mal, wo mir jemand gesagt hat: „Du musst dich nur mal zusammenreissen“, einen Franken bekommen hätte, könnte ich heute in einer Hängematte auf Hawaii liegen – und trotzdem hätte ich vergessen, wie ich da hingekommen bin.
Denn das ist mein Alltag mit ADHS. Wobei – ich wusste lange Zeit gar nicht, dass es das ist. Als Kind wurde bei mir POS diagnostiziert – das sogenannte Psychoorganische Syndrom. Klingt wie ein gruseliger Begriff aus dem Medizinkoffer der 70er-Jahre, oder? Tatsächlich war POS damals ein Sammelbegriff für Kinder, die sich schwer konzentrieren konnten, impulsiv waren oder einfach „nicht in die Reihe passten“. Heute würde man in vielen Fällen von ADHS sprechen. Damals war das noch kein gängiger Begriff.
Glücklicherweise hatte ich einen kleinen Joker im Leben: meine Mutter. Sie war psychiatrische Fachkraft – und vor allem: unglaublich geduldig mit mir. Sie hat POS verstanden, lange bevor ich selbst überhaupt wusste, was das bedeutet. Sie hat mich nicht als „Problemkind“ gesehen, sondern als ein Kind mit besonderen Bedürfnissen, das einfach ein bisschen anders tickt. Danke, Mama.
Trotzdem hat die Diagnose mich nicht davor bewahrt, durchs Leben zu stolpern wie durch ein Wohnzimmer voller LEGO-Steine. Termine vergessen, To-do-Listen ignoriert (oder gleich ganz verloren), fünf Projekte angefangen und keines abgeschlossen – die Klassiker eben. Von aussen wirkte ich oft unorganisiert, chaotisch oder eben: faul.
Aber hier ist die Wahrheit: Ich bin nicht faul. Mein Gehirn ist einfach auf Shuffle gestellt. Ich denke in zehn Richtungen gleichzeitig, finde das Salz in der Küche nicht, obwohl es direkt vor meiner Nase steht – und kann mich manchmal stundenlang auf ein Thema stürzen, das mich fasziniert (meistens leider nicht das, was gerade dringend wäre).
Erst mit Anfang 40 habe ich kapiert, dass POS im Grunde eine frühere Bezeichnung für ADHS ist. Und damit fügten sich viele Puzzlestücke meines Lebens plötzlich zusammen – einige lagen vorher jahrelang unterm Sofa.
Heute bin ich 52 und ziemlich gut darin, mit meinem bunten Kopf zu leben. Nicht perfekt – aber hey, wer ist das schon? Ich habe Werkzeuge gefunden, die mir helfen. Und ich lerne ständig dazu. Vor allem aber habe ich aufgehört, mich dafür zu schämen, wie ich bin.
Mit diesem Blog möchte ich meine Erfahrungen teilen – ehrlich, persönlich, manchmal ein bisschen chaotisch, aber immer mit Herz und einem Augenzwinkern. Wenn du dich also schon mal gefragt hast, warum du dein Handy in der Hand suchst oder drei Stunden brauchst, um endlich mit etwas anzufangen: Willkommen im Club. Du bist nicht allein – und du bist auch nicht faul. Versprochen.


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